H&M war über Jahre hinweg eine dominierende Größe in der Welt der Fast Fashion – einer Branche, die häufig für ihre Umwelt- und Sozialprobleme kritisiert wurde. Inzwischen hat das Unternehmen jedoch spürbare Schritte in Richtung Nachhaltigkeit unternommen, um sein öffentliches Image zu verändern. Dieser Wandel ist nicht nur ein Marketingmanöver, sondern spiegelt eine breitere Entwicklung der Branche wider sowie H&Ms Antwort auf steigenden Druck seitens Verbraucher, Behörden und Umweltschützer.
Traditionell basierte H&Ms Erfolg auf erschwinglicher, trendiger Kleidung in großen Mengen. Dieses Geschäftsmodell – gleichbedeutend mit Überproduktion und Abfall – geriet in den 2010er-Jahren verstärkt in die Kritik. H&M begann daher, schrittweise zu einem Modell überzugehen, das mehr Wert auf Qualität und Umweltauswirkungen legt. Dazu gehört das Design langlebiger Kleidungsstücke sowie Investitionen in zirkuläre Geschäftsmodelle.
Ein zentrales Element ist die Strategie des „Circular Design“, die darauf abzielt, dass alle Produkte recyclingfähig und wiederverwendbar gestaltet werden. Das Ziel: Bis 2040 will H&M vollständig zirkulär und klimapositive arbeiten. Heute setzt das Unternehmen auf Designprinzipien, die eine einfachere Demontage und Wiederverwertung ermöglichen.
Die „Conscious Collection“ von H&M – bestehend aus Kleidungsstücken aus nachhaltigeren Materialien – ist ein weiteres Beispiel. Auch wenn Kritiker bemängeln, dass diese Kollektion nur einen kleinen Teil des Gesamtangebots ausmacht, dient sie als Testfeld für die Ausweitung nachhaltiger Praktiken auf die gesamte Produktpalette.
H&M betreibt weltweit Programme zur Textilrücknahme über Sammelstellen in seinen Filialen. Kundinnen und Kunden können gebrauchte Kleidung aller Marken abgeben, die je nach Zustand wiederverwendet oder recycelt wird. Stand Juni 2025 ist dieses Programm in über 60 Märkten aktiv.
Die eingesammelten Kleidungsstücke werden in drei Kategorien sortiert: Wiederverwendung (als Second-Hand-Artikel), Umnutzung (z. B. als Putzlappen) und Recycling (zur Rückgewinnung von Fasern). Allein 2024 wurden über 18.000 Tonnen Textilien gesammelt – ein Anstieg von 12 % im Vergleich zum Vorjahr.
Langfristig sollen recycelte Fasern in größerem Umfang in der Produktion eingesetzt werden. Da die Recyclingtechnologie noch nicht vollständig ausgereift ist, können bislang nur wenige Textilien wieder in Kleidung umgewandelt werden. H&M finanziert daher Forschungskooperationen, etwa mit dem Hong Kong Research Institute of Textiles and Apparel (HKRITA).
Ein weiterer wichtiger Bestandteil von H&Ms Nachhaltigkeitsstrategie ist die Transparenz der Lieferkette. Bereits seit 2013 veröffentlicht das Unternehmen Listen mit Informationen zu seinen Zulieferbetrieben – einschließlich Name, Adresse und Produktionsvolumen. Dieser Schritt wurde von Menschenrechtsorganisationen gelobt.
Im Jahr 2025 hat H&M ein neues Rückverfolgbarkeitstool auf seiner Webseite und App eingeführt. Kund*innen können damit Details zur Produktionskette eines Produkts einsehen – von der Fabrik über das Herkunftsland bis zu den verwendeten Materialien. So soll das Bewusstsein beim Einkauf gestärkt werden.
Zudem verfolgt H&M das Ziel, existenzsichernde Löhne in seiner gesamten Lieferkette zu garantieren. Über die ACT-Initiative arbeitet das Unternehmen mit Gewerkschaften und Branchenpartnern an kollektiven Lohnverhandlungen. Erste Pilotprojekte, etwa in Bangladesch und Kambodscha, zeigen Fortschritte.
Trotz aller Bemühungen steht H&M in der Kritik wegen möglicher Greenwashing-Praktiken. 2022 rügte die norwegische Verbraucherschutzbehörde das Unternehmen für irreführende Aussagen zur Conscious Collection. Der Fall löste eine Debatte über die Notwendigkeit unabhängiger Prüfungen von Nachhaltigkeitsaussagen aus.
Als Reaktion darauf hält sich H&M nun an die Vorgaben der EU-Richtlinie für „Green Claims“. Nachhaltig deklarierte Produkte müssen belegbare Kriterien erfüllen und detaillierte Nachhaltigkeitsprofile vorweisen, die öffentlich zugänglich sind.
Ein weiterer Kritikpunkt: Eine echte Transformation erfordert, die Produktionsmenge zu reduzieren. Zwar berichtet H&M über sinkende Volumina in bestimmten Segmenten, doch das Grundprinzip der Schnellproduktion besteht weiter. Zwischen wirtschaftlichen Erwartungen und Umweltverantwortung entsteht ein Spannungsfeld.
Um seine Nachhaltigkeit langfristig abzusichern, investiert H&M zunehmend in neue Materialien und Biotechnologie. In Zusammenarbeit mit Firmen wie Renewcell und Infinited Fiber erforscht das Unternehmen Fasern aus Alttextilien und Agrarabfällen.
Ein Beispiel ist Circulose® – ein Material aus alter Baumwollkleidung. 2024 brachte H&M eine exklusive Kollektion mit Circulose® auf den Markt – eine der ersten kommerziellen Anwendungen dieser Art. Für 2025 ist eine Verdopplung des Einsatzes geplant.
Darüber hinaus unterstützt der Venture-Arm H&M CO:LAB innovative Lösungen wie Pilzleder (Myzel) oder biobasierte Stoffe. Diese Materialien haben im Vergleich zu traditionellen Alternativen deutlich geringere Umweltauswirkungen.
Technologie spielt eine wachsende Rolle in H&Ms Nachhaltigkeitsstrategie. Seit 2025 nutzt das Unternehmen KI-gestützte Prognosetools, um Überproduktion zu vermeiden. Dadurch sank die Zahl unverkaufter Artikel im Jahresvergleich um 15 %.
Zudem können Käufer*innen online Stoffoptionen mit geringerer Umweltbelastung auswählen. Diese Funktionen bieten ein transparenteres Einkaufserlebnis und fördern das Umweltbewusstsein beim Konsum.
Künftig will H&M digitale Produktpässe für jedes Kleidungsstück einführen. Diese werden Blockchain-gestützt Informationen zu Materialien, Recycelbarkeit und Pflegehinweisen enthalten. Der Start ist für 2026 geplant und soll Recyclingprozesse vereinfachen.